Wie 5G die industrielle Steuerungstechnik revolutionieren wird

John Koon |

(Bild mit freundlicher Genehmigung von Ericsson.)

Die Erste Industrielle Revolution, die zwischen den 1760er und 1840er Jahren stattfand, schuf die Voraussetzungen für den Übergang zur industrialisierten Fertigung mit der Dampfkraft und der Baumwollentkörnungsmaschine. Die Zweite Industrielle Revolution, die vom späten 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert andauerte, brachte elektrische Energie und Telefone. Die Nutzung von Elektrizität in Fertigungsprozessen führte zur Entwicklung industrieller Steuerungssysteme. Kombinationen von Steuerungskomponenten – elektrisch, mechanisch, hydraulisch und pneumatisch – wirken in einem industriellen Steuerungssystem zusammen, um einen bestimmten Zweck zu verfolgen, z.B. die Produktion, den Transport oder die Erzeugung von Material oder Energie.

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Aus der dritten industriellen Revolution gingen schließlich Kommunikationstechnologien und erneuerbare Energien sowie Automatisierungs- und Datenerfassungstechnologien hervor. Noch vor dem explosionsartigen Wachstum des Internets begannen kritische Industriezweige, wie die Strom- und Wasserversorgung und die verarbeitende Industrie, auf industrielle Steuerungssysteme zu setzen. Die Etablierung offener und öffentlicher Netzwerke hat auch die Fernverwaltung und -wartung von Maschinen und Anlagen ermöglicht.

Ein typisches industrielles Steuerungssystem besteht aus Regelkreisen, Benutzerschnittstellen, die mit Menschen interagieren, und Ferndiagnose- sowie Wartungstools. Es gibt verschiedene Arten von Steuerungssystemen, darunter SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition), verteilte Steuerungssysteme (Distributed Control Systems, DCS) und speicherprogrammierbare Steuerungen (Programmable Logic Controllers, PLC). SCADA-Systeme konzentrieren sich auf die Datenerfassung und eine breitere, verteilte Steuerung, was sie z.B. bei der Verwaltung von Versorgungsnetzen und in der Öl- und Gasförderung weit verbreitet macht.

Im Gegensatz zu SCADA-Systemen sind DCS- und PLC-Technologien auf lokale Steuerung ausgerichtet und typischerweise in Fertigungsanwendungen zu finden.

Wie das industrielle Internet der Dinge (IIot) alles verändert

Obwohl die Fernverwaltung von Anlagen bequemer und kostengünstiger ist als die Bedienung durch Personal vor Ort, kann die Reaktionszeit bei Problemen lang sein. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, Probleme in Echtzeit zu erkennen und zu lösen.

Das Internet der Dinge (IoT, Internet of Things) verfügt über eine enorme Kapazität zur Sammlung, Speicherung, Integration und Analyse von Daten. Mit Hilfe dieser Kapazität verbessert das industrielle Internet der Dinge (IIoT, Industrial Internet of Things) die Interoperabilität und Koordination zwischen verschiedenen industriellen Steuerungssystemen sowie ihre Einsetzbarkeit an abgelegenen Orten und unter widrigen Bedingungen.

Ölplattformen, Versorgungsnetze, Windturbinen, Flughäfen, Eisenbahnnetze und sogar Städte und Gemeinden erhoffen sich vom IIoT eine Senkung der Kosten und Effektivitätssteigerungen. Beispielsweise kann IIoT die Fernüberwachung von Standorten ermöglichen, um arbeitsintensive Vorgänge zu vermeiden und dabei gleichzeitig Sicherheit und Effizienz erhöhen. Die Vorteile, die IIoT bieten kann, hängen jedoch von der Geschwindigkeit und Leistung des Netzwerks ab.

Das Versprechen von 5G und 6G

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Fortschritte in der Telekommunikation und die zunehmende Etablierung des IIoT werden wahrscheinlich in vielen Sektoren Synergieeffekte erzeugen. 1G, die erste Generation der Mobilkommunikation, brachte uns Mobiltelefone. 2G, 3G und 4G brachten uns Textnachrichten, Telemedizin, Videokonferenzen, W-LAN und Bluetooth. 5G schließlich wird die Potentiale des IIoT erweitern und vertiefen.

Mit deutlich höherer Schnelligkeit im Vergleich zu 4G wird 5G die Telekommunikationstechnik an mehreren Fronten gleichzeitig verbessern. 5G wird die Latenz (Verzögerungszeit) so stark reduzieren, dass Download- und Uploadzeiten von Minuten auf Sekunden sinken werden. Infolgedessen kann 5G eine deutlich erhöhte Menge an Daten pro Sekunde übertragen. Letztendlich wird 5G Millionen von IoT-Geräte- und Anlagen zu einem einzigen Netzwerk mit hocheffizienten Kommunikationsstandards verbinden.

5G wird viele Systeme und Einrichtungen großen Maßstabs optimieren, die derzeit von 4G bedient werden, wie z.B. Bohrinseln, Windturbinen, Flughäfen und Eisenbahnnetze. Noch wichtiger ist, dass 5G Fortschritte ermöglichen wird, die frühere Telekommunikationstechnologien nicht unterstützen konnten, wie z.B. eine schnelle Maschine-zu-Maschine-Kommunikation zwischen fahrerlosen Autos, verschiedenen Anlagenkomponenten in einer Fabrik und städtischen Infrastrukturen.

Zum Beispiel werden autonome Fahrzeuge (AVs, Autonomous Vehicles) direkt miteinander kommunizieren, anstatt auf die Cloud zur Abfrage von Geodaten zuzugreifen. Eine solche Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation (V2V, vehicle-to-vehicle) wird es autonomen Fahrzeugen ermöglichen, synchron und in Abstimmung miteinander zu beschleunigen oder abzubremsen, um Zusammenstöße zu vermeiden. In der Fabrikhalle werden schwerfällige Ethernet-Kabel der drahtlosen 5G-Kommunikation weichen. Darüber hinaus kann 5G dringend benötigte Unterstützung bei der Verwaltung veralteter Versorgungsnetze und Infrastrukturen bieten. Wenn ein Teil des Netzes ausfällt, kann das daraus resultierende Ungleichgewicht im Stromnetz Ausfälle in anderen Teilen des Netzes auslösen. Dieese Ausfälle können dann einen Dominoeffekt auslösen und Straßenanlagen, Ampelanlagen, Telekommunikations- und Computernetzwerke, öffentliche Verkehrslinien und sogar Wasser- und Gaspipelines in Mitleidenschaft ziehen. Mit 5G kann das Netz schneller wieder zu einem Gleichgewicht zurückkehren und die Ausbreitung von Netzstörungen verhindern.

5G hat breitere und weitergehende industrielle Steuerungsanwendungen als 4G, und es ist sehr wahrscheinlich, dass 6G ein noch größeres Anwendungsspektrum haben wird. Die verbesserte Datennutzung und -übertragung, die 6G mit sich bringen wird, kann die Präzision der Standortbestimmung in Gebäuden, globale Kompatibilität und Verbindung zwischen verschiedenen Mobilfunknetzen sowie die Erschwinglichkeit von Datentarifen verbessern.

6G wird auch bei unkonventionellen Anwendungen wie der holographischen, taktilen und Mensch-zu-Mensch-Kommunikation eine bedeutende Rolle spielen. Die 3-D-Hologramm-Technologie kann sowohl Lichtstrahlen als auch Schallwellen manipulieren. 6G wird in der Lage sein, die Stereo- und Audiokomponenten eines Hologramms zu rekonfigurieren, wodurch realitätsnahe Abbildungen von Menschen, Ereignissen und Umgebungen möglich werden. Bei Anwendungen im Bereich Fernchirurgie, autonomes Fahren und zwischenmenschliche Kommunikation werden Benutzer feststellen, dass 6G eine verbesserte taktile Erfahrung bietet. Der Einfluss von 6G im Bereich der menschlichen Wahrnehmung und Kommunikation kann die Erkennung sowohl organischer Dämpfe als auch von Emotionen umfassen. Beispielsweise kann 6G AI-Systeme (Artificial Intelligence) in die Lage versetzen, den Gesichtsausdruck von Fahrern zu analysieren und ihn auf Zeichen von Müdigkeit oder Schläfrigkeit zu überprüfen. 6G-fähige AI-Systeme können außerdem helfen, Spuren von Alkohol im Atem des Fahrers zu erkennen. Stellen sie fest, dass der Fahrer zu betrunken ist, um zu fahren, können sie den Autopiloten einschalten, das Auto an einen sicheren Ort navigieren und es gegebenenfalls sogar eigenmächtig abschalten.

Technologische Herausforderungen

Die Vorteile der Integration eines schnelleren Telekommunikationsnetzes mit dem IIoT und industriellen Steuerungssystemen liegen klar auf der Hand. Weniger Verzögerungen bei der Datenübertragung resultieren in beschleunigter Entscheidungsfindung sowie einem höheren Automatisierungspotential. Der Erfolg von 5G oder 6G wird jedoch von der Bewältigung einiger technologischer Herausforderungen abhängen, wie z.B. Cybersicherheitsstandards und Infrastrukturinvestitionen. Auch die Implementierung von 5G wird stark von der Unterstützung durch Regierungen und Endverbraucher abhängen.

Die erhöhte Konnektivität, die 5G oder 6G mit sich bringt, wird die Systeme anfälliger für Bedrohungen machen. Cyberangriffe auf Großinfrastrukturen sind alles andere als ein neues Phänomen. Bereits in den frühen 1990er Jahren, als die Welt noch wesentlich weniger vernetzt war als heute, hat es in mehreren Ländern regelmäßige Angriffe auf kritische Systeme und Infrastrukturen gegeben. Mit der Zunahme der globalen Konnektivität können Hacker heutzutage noch leichter aus der Ferne in Systeme eindringen und Menschenleben, Systeminfrastrukturen und sogar Staaten enormen Schaden zufügen.

Cyberangriffe lassen sich in der Regel in vier Kategorien einteilen: Netzwerkübergriffe (Hacking) durch Einzelpersonen; Codemodifikationen zum Ändern, Hinzufügen oder Löschen von Ressourcen auf einem System; Denial-of-Service-Angriffe; sowie Datenextraktion zwecks Entwendung wertvoller Daten und Informationen. Regierungsstatistiken zufolge haben Angriffe auf verschiedene industrielle Kontrollsysteme in den letzten Jahrzehnten häufiger und in größeren Ausmaßen als zuvor stattgefunden. Daher hat die durch 5G und 6G verursachte Konnektivitätszunahme das Potential, die Verwundbarkeit eines Systems zu erhöhen, was die Unterbindung der Ausweitung entsprechender Angriffe erschwert.

Ein schnelleres Netzwerk wird außerdem massive Investitionen in Infrastruktur erfordern. Ein 5G-Netz erfordert die Installation von Millionen, wenn nicht gar Dutzenden oder Hunderten von Millionen von Basisstationen und Millionen von Antennen, was hohe Vorlaufkosten zur Folge hat.

Auch die Kosten für den Betrieb von Stromnetzen, die den Anforderungen von 5G-Netzwerken gewachsen sind, werden beträchtlich sein. Nach Angaben von Huawei benötigt ein typischer 5G-Standort mehr als 11,5 Kilowatt, fast doppelt so viel wie eine 2G-, 3G- oder 4G-Basisstation. Dieser höhere Energiebedarf erfordert erhebliche Verbesserungen der Energieeffizienz von Basisstationen. Alternativ sollte auch versucht werden, erneuerbare Energien wie Sonne, Wind oder Meereswellen stärker zu nutzen, um zur Versorgung von 5G-Netzen beizutragen.

Die Einführung von 5G muss in verschiedenen Ländern gleichzeitig und in einem vergleichbaren Maßstab erfolgen, um die maximale Wirkung zu erzielen. Bislang testen 275 Betreiber in mehr als 120 Ländern 5G-Technologien und machen dabei unterschiedliche Fortschritte. Während die meisten Länder von der Idee der Einführung von 5G zwar begeistert sind, hat die Geopolitik zwischen China sowie den USA und ihren Verbündeten einige politische Komplikationen verursacht. Es herrscht wenig Einigkeit darüber, wie ernst die Sicherheitsbedrohung durch den Einsatz von im Ausland hergestellten Anlagen ist. Auf nationaler Ebene ist die US-Regierung zwar bestrebt, 5G zu fördern, aber sie ist auch über eine mögliche ausländische Einflussnahme besorgt. Außerdem stehen viele Gemeinden in den USA der 5G-Infrastruktur skeptisch gegenüber und haben im Zusammenhang mit der Installation von 5G-Anlagen Klage gegen die Regierung eingereicht. Darüber hinaus scheint auch auf Ebene der Endverbraucher die Begeisterung für 5G ziemlich unterschiedlich auszufallen, da viele die auf öffentlichen Flächen installierten 5G-Antennen als „Schandflecke“ oder sogar als Gefährdung der öffentlichen Gesundheit betrachten.

Schlussfolgerung

Zweifellos wird das schnellere 5G-Netz die meisten der von den SCADA-Systemen angebotenen Funktionen übernehmen. Die äußerst energieeffizienten Sensoren können an vielen entlegenen Orten bis zu 10 Jahre lang ohne Notwendigkeit von Batteriewechsenl eingesetzt werden. Trotz der zahlreichen zu überwindenden Hürden macht 5G international deutliche Fortschritte.

Das 3rd Generation Partnership Project (3GPP), die Organisation hinter dem 5G-Standard, verabschiedete einen neuen Standard im Zuge seines 3GPP Release am 16. Juli 2020. Im Rahmen dieser Bekanntgabe wurde der sogenannte „5G-Standalone“-Modus (SA) definiert. Das bedeutet, dass 5G unabhängig von der gemeinsamen 4G/5G-Infrastruktur in Betrieb gehen wird. Angesichts dieses Ansatzes wird erwartet, dass 5G schneller als gedacht zur Anwendung gebracht werden kann.

Viele der erwähnten SCADA-Systeme sind bereits seit vielen Jahren in Betrieb. Es wird erwartet, dass im Laufe der Zeit immer mehr solcher Systeme auf 5G und IIoT umgestellt werden; eine solche Umstellung wird jedoch nur schrittweise erfolgen.