Wie man in der metallbasierten Additiven Fertigung maximale Festigkeit bei minimalen Stützstrukturen erreicht

James Anderton |

Zum heutigen Stand erstellen die meisten Anlagen zur metallbasierten Additiven Fertigung (AM, Additive Manufacturing) Strukturen auf Pulverbettbasis. Aufeinanderliegende Schichten von akribisch geschabtem, hochspezialisiertem Pulver werden mit Lasern oder Elektronenstrahlen geschmolzen. Die Additive Fertigung hat sich zu einer bewährten Technologie mit einer Vielzahl von Produktionsanwendungen in kritischen Branchen wie der Automobil-und Luftfahrtindustrie entwickelt. Bei der Konstruktion von Bauteilen für die Herstellung auf Pulverbettbasis geht es jedoch um mehr als nur um die Formgebung des Teils.

Additive Fertigungsvarianten: Komplette, teilweise oder keinerlei Stützstrukturen

Alle additiv hergestellten Objekte benötigen Stützstrukturen, und ein wichtiger Faktor für den Erfolg eines Komponentendesigns bei der additiven Fertigung ist die Fähigkeit des Designers, die richtige Form, Platzierung und Quantität der Stützstrukturen zu wählen, um die Dimensionsstabilität eines Teils während des Herstellungsprozesses aufrechtzuerhalten. Die Konzeption von Stützstrukturen macht einen bedeutenden Anteil an den gesamten Konstruktions- und Produktionskosten aus, daher lohnt es sich, dieses Thema mit ebenso viel Kreativität anzugehen wie das Design des Bauteils selbst. Unzureichende Stützstrukturen können zu einer Verzerrung der Objektgeometrie führen, während ein zu stark gestütztes Teil Fertigungsdurchgänge verlangsamt und zusätzliche Nachbearbeitungskosten verursacht.

Es gilt, die richtige Balance zu finden als Ergebnis der richtigen Kombination aus Erfahrung, Softwarefähigkeiten sowie einer fundierten Kenntnis der Stärken und Grenzen des Pulverbettverfahrens.

Warum sind Stützstrukturen bei AM-Objekten unverzichtbar?

Michael Wohlfart, Berater für Additive Fertigung in der Abteilung Additive Minds von EOS, hat sowohl stützstrukturminimale als stützstrukturfreie Prozessvarianten im eigenen Ansatz erprobt und ist der Überzeugung, dass es sich um eine serienreife Technologie handelt. Aber warum sind Stützstrukturen überhaupt notwendig?

“Im Wesentlichen aus drei verschiedenen Gründen”, erklärt Wohlfart. “Einer ist die Wärmeübertragung. Wir verwenden Stützstrukturen hauptsächlich in Überhangbereichen, in denen die Wärmeübertragung aufgrund des umgebenden Pulvers, das eine geringere Wärmeleitfähigkeit als das feste Material hat, reduziert ist. Der zweite ist vielleicht der wichtigste Grund, und das ist die Eigenspannung. Bei der Additiven Fertigung herrscht aufgrund von Temperaturschwankungen eine hohe Spannungswirkung. Wir haben eine lokal enorm begrenzte Energiezuführung, und wir schmelzen Schicht für Schicht – das heißt, Sie haben eine heiße Schicht auf einer anderen, die bereits abgekühlt ist. Sie schrumpft, wird aber teilweise von den unteren Schichten zurückgehalten und baut dadurch weitere Spannungen auf.”

“Der dritte Faktor sind die Wiederbeschichtungskräfte“, so Wohlfart weiter. “Wenn wir das Pulver auf dem Pulverbett verteilen, gibt es natürlich Reibung. Diese kann nicht nur durch den Rakel des Wiederbeschichters ausgelöst werden, sondern auch vom Pulver selbst, vor allem wenn die Kanten des Werkstücks ansteigen. Bei Eigenspannungen kann ein Teil der Konstruktion aus dem Pulverbett aufragen und den Wiederbeschichter berühren. Wenn das Teil stabil ist, gut mit der Bauplatte verbunden oder richtig ausgerichtet ist, ist das Risiko steigender Kanten aufgrund der Eigenspannungen gering, und dies gewährleistet eine ordnungsgemäße Fertigung.”

Orthopädische Hüftschaft-Implantate in hochdichter Bauweise. Intelligentes Stützstrukturendesign und

intelligente Bauteilorientierung haben hohe volumetrische Effizienz und sorgen dafür, dass die Stützstrukturen bei der Nachbearbeitung „verschwinden“. (Bild mit freundlicher Genehmigung von EOS).

Diese ersten beiden von Wohlfart erwähnten Faktoren, Wärmeübertragung und Eigenspannung, sind allen Anwendern von Pulverbetttechnologien, insbesondere im Zusammenhang mit Metallanwendungen, gut bekannt. Der Wiederbeschichter ist jedoch nur selten ein Faktor bei stark gestützten Konstruktionen – er muss jedoch bei stützstrukturminimaler und stützstrukturfreier Produktion in der Konstruktionsplanung berücksichtigt werden.

Die Funktion des Wiederbeschichters besteht darin, zur Bildung der aufeinanderfolgenden Schichten ein gleichmäßig dünnes, ebenes Pulverbett aufzutragen (typischerweise zwischen 30 und 60 µm bei EOS-Anlagen, bei anderen Anlagen und Prozessen zwischen 10 und 90 µm), jedoch kann ein ungestütztes Objekt durch Kontakt mit der Klinge bewegt werden. Weiche, silikonbeschichtete Wiederbeschichtungsklingen tragen in diesem Zusammenhang zwar zur Behebung des Problems bei, das Kontaktproblem selbst wird jedoch am besten in der Phase der Werkstückkonstruktion gelöst. Der Aspekt muss berücksichtigt werden, ist aber durchaus kontrollierbar.

Wohlfart hat die Probleme der Teileherstellung mittels stützstrukturreduzierter metalladditiver Fertigung studiert und in der Folge die Ergebnisse eines interessanten Experiments in diesem Kontext veröffentlicht.

So wurden für das Experiment absichtlich problematische Testparameter gewählt: eine flache Form des Testobjekts, die Materiallegierung Ti64, die sich durch hohe Eigenspannungen auszeichnet, sowie ein starrer Metallnachbeschichter zur Realisierung eines Worst-Case-Szenarios im Hinblick auf den Objektkontakt. Wenn sein Ansatz unter diesen Bedingungen funktionierte, so die Überlegung, würde es in der Mehrheit der Herstellvorgänge funktionieren, die nur äußerst selten eine solch ungünstige Kombination von Bedingungen bieten würden.

Die Wärmeübertragung war das primäre Problem. In diesem extremen Testszenario war die Wärmeübertragung durch das Pulverbett minimal, da die zwischen den Energieteilchen liegenden, luftgefüllten Hohlräume als Isolator wirkten. Das Energiezuführungsprofil erwies sich als entscheidend für das Wärmemanagement. In der Konsequenz identifizierte Wohlfart nicht nur bei der Strahlleistung, sondern auch beim Abtastmuster deutliche Optimierungspotentiale im Hinblick auf die Realisierung einer stützstrukturminimalen oder stützstrukturfreien Konstruktion.

Z-Segmentierung und Zuordnung von Prozessparametern in EOSPRINT 2. (Bild mit freundlicher Genehmigung von EOS)

Mit Hilfe der EOSPRINT 2-Software, insbesondere der enthaltenen Z-Segmentierungsfunktion, wurde das Teil virtuell in verschiedene Bereiche unterteilt, wobei auf jede 60-Mikrometer-“Scheibe” individuell zugeordnete Parameter angewendet wurden. Die Ergebnisse waren ausgezeichnet, sodass flache Oberflächen mit einem zähen Material ohne Notwendigkeit von Vorverformung erzielt wurden. Dies deutet darauf hin, dass komplizierte Konstruktionen durch Optimierung des Herstellprozesses selbst realisiert werden können, anstatt es zur Aufgabe des Objektdesigners zu machen, eventuelle Verformungseffekte zu antizipieren.

Konstruktionsplatte nach Ausgabe des Druckobjekts (Bild mit freundlicher Genehmigung von EOS)

Konstruktionsansätze für stützstrukturminimale und stützstrukturfreie Additive Fertigung

Die drei Faktoren von Wohlfart sind nur einige der Aspekte, die Objektdesigner berücksichtigen müssen, wenn sie den Schritt von einmaligen Prototypen zur Herstellung von Serienteilen vollziehen.

Zum Beispiel ist die Prozessrichtung des Fertigungsvorgangs von Bedeutung und ein Faktor im Zusammenhang mit der Oberflächenrauhigkeit. Teile mit hohem Aspektverhältnis sind schwierig und stellen bei stützstrukturfreier Konstruktion besondere Herausforderungen dar. Selbst die effizienteste Bauteilorientierung bei voller Ausnutzung des Arbeitsvolumens kann sich bei der Herstellung von stützstrukturfreien Teilen als ungeeignet erweisen. Es stellt sich daher die Frage, ob weniger Teile ohne Stützstrukturen tatsächlich wirtschaftlich günstiger sind als mehr Teile pro Konstruktionsvorgang bei gleichzeitig einhergehender Erforderlichkeit von sekundären Arbeitsgängen zur Entfernung solcher Stützstrukturen.

All diese Aspekte spielen bei den Kostenüberlegungen im Kontext der Ausarbeitung eines additiven Fertigungsvorgangs eine wichtige Rolle. Wohlfart bringt es auf den Punkt: „Die Werkstückorientierung ist immer ein Kompromiss zwischen der bevorzugten Konstruktionsrichtung, der Anzahl der Teile, die auf die Plattform passen, und den erforderlichen Stützstrukturen.“

In vielen Fällen ist ein hybrider Ansatz mit einigen minimalen Stützstrukturen am besten geeignet. Je nach Aspektverhältnis und Objektkomplexität ist das ideale Fertigungs-Setup möglicherweise nicht die dichteste Anordnung in der Produktionskammer. Die Durchführung von Nachbearbeitungsprozessen zum Verbergen der Auflagepunkte auf dem Objekt kann so einfach sein wie Schleifen oder so komplex wie CNC-Bearbeitung, aber in vielen Fällen können diese Stellen auch durch Stützung des Teils an einer nicht wesentlichen oder nicht sichtbaren Stelle unsichtbar gehalten werden.

Die Oberflächenrauhigkeit kann auch oft verborgen werden, indem man sich für eine Stützung an einem Berührungspunkt mit einer anderen Baugruppe oder an einem Punkt entscheidet, der durch kosmetische Maßnahmen wie eine Zierplatte oder ein Etikett abgedeckt werden kann. Konstrukteure von Spritzguss- und Druckgussformen für Kleinserien sehen sich ähnlichen Probleme mit der Oberflächenbeschaffenheit an den Anschnitten der Kavitäten gegenüber. Bauteilkonstrukteure, die mit diesen Prozessen vertraut sind, sollten keine Schwierigkeiten haben, sich an die Gegebenheiten der pulverbettbasierten metalladditiven Fertigung anzupassen.

Ein großer Vorteil des additiven Verfahrens besteht jedoch darin, dass es im Gegensatz zu den harten Werkzeugen des Druck- oder Formgusses nicht immer notwendig ist, gleich die Effizienz der Positionierflächennutzung in der Produktionskammer zu optimieren. Pilotproduktionsvorgänge oder Vorserien in begrenzter Stückzahl können bei geringer Dichte der Teileanordnung in der Anlage im Hinblick auf optimale Objektqualität konfiguriert werden und dann später im Hinblick auf die Anzahl der Teile pro Herstellvorgang optimiert werden. Erfolgreiche Iteration ist also nicht nur in der Entwurfsphase, sondern bis weit in die Produktionsphase hinein möglich.

Zudem brauche es keine jahrzehntelange Erfahrung mehr, um solide Stützansätze zu berechnen, sagt Wohlfart. „Stützkonzeption ist heutzutage weitgehend automatisiert. Es gibt Softwares von mehreren Firmen, die Stützansätze erstellen. Sie erstellen für jedes Material ein Profil, in dem Sie angeben, in welchem Winkel sie stützen möchten, wie groß der größte ungestützte Überhang sein darf, und so weiter. Alles ist schon sehr automatisiert. Jedoch benötigt man weiterhin eine Menge Erfahrung, um die Stützstrukturen maximal effizient zu gestalten. Ich würde behaupten, dass selbst ein Anfänger Stützstrukturen anfertigen oder entwerfen kann, aber erst die entsprechende Erfahrung macht es möglich, sie zu optimieren und sie im Hinblick auf eine höhere Produktivität und auch eine bessere Entfernbarkeit anzupassen. Bislang gibt es keine vollautomatisierte Lösung auf dem Markt, auch wenn einige Softwarefirmen dies behaupten.“

Jede Entscheidung in Bezug auf das Objektdesign und die Bauteilorientierung wird von der grundlegenden Notwendigkeit gesteuert, dem Pulver Energie zuführen und diese dann wieder ausführen zu müssen. Die Eigenspannung ist immer ein wichtiger Gesichtspunkt. Wie bei allen numerisch gesteuerten Prozessanlagen ist die Parametereinstellung von wesentlicher Bedeutung. Je stärker diese automatisiert ist, desto konsistenter werden die Teile von Lauf zu Lauf ausfallen.

Bei der pulverbasierten Fertigung von Metallobjekten bei minimaler oder keinerlei Stützung ist die Eigenspannung zwar der Schlüsselaspekt, es muss jedoch auch das Kraftausübungsprofil des Wiederbeschichters berücksichtigt werden. Ein komplexes Teil kann zwar unter unter dem Gesichtspunkt der korrekten Vorverformung konstruiert werden, so dass es sich genau in die gewünschte Form entspannt, kann aber unter dem Kontakt mit dem Wiederbeschichter in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine Änderung der Bauteilorientierung kann dies oft korrigieren und ein wesentlicher Faktor sein – selbst wenn dadurch mehr „Bausubstanz“ in der Produktionskammer verbraucht wird.

Die Massenproduktion von Bauteilen aus metalladditiver Fertigung erfordert keinen besonderen Konstruktions- oder Stützaufwand für bestehende Produktionsstätten. (Bild mit freundlicher Genehmigung von EOS.)

Auch der Überhang ist ein häufiges Thema in jeder Diskussion über Bauteildesign bei pulverbasierter Additivfertigung, wobei Konstrukteure „Überhang“ meist im Sinne von Winkeln verstehen.

“Es hängt alles davon ab, wie groß der Winkel sein soll“, erklärt Wohlfart. “Wenn wir von völlig ebenen Flächen sprechen, nennen wir das Null-Grad-Überhang. Stellen Sie sich vor, Sie wollen eine flache Scheibe im Pulverbett ohne jegliche Stützung drucken. Aufgrund der Eigenspannung wird sie sich sofort aufwölben und einen Kegel bilden. Wir bräuchten eine Stützung auf mindestens einer Seite der Basisplatte, um dieses Ausbeulen zu vermeiden.“

“Bis zu einem bestimmten Winkel geht es ohne Stützung, aber bei extrem niedrigen Winkeln ist eine Stützstruktur erforderlich. Und manchmal ist es sogar aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhaft“, erklärt Wohlfart. “Übrigens könnte man mit etwas Arbeitsaufwand und entsprechender Anpassung der Prozessparameter auf sehr niedrige Winkel hinuntergehen, aber das kann sich auf die Fertigungszeit auswirken. Manchmal kann es essentiell wichtig sein, die Fertigungszeiten kurz zu halten. Und in solchen Fällen kann es sinnvoll sein, Stützstrukturen zu implementieren, wenn dies geeignet ist, die Prozesszeiten zu verkürzen.”

Niedrigere Kosten durch effizientes Design

Sind niedrigere Kosten pro Teil bei langsamerer Fertigungsgeschwindigkeit also überhaupt möglich? Ja, wenn die Reduzierung der Stützstrukturen oder eine dichtere Teileanordnung in der Druckkammer zu mehr ausgegebenen Bauteilen pro Maschinenstunde oder zu geringeren Nachbearbeitungskosten führt. Die Eigenschaften bestimmter Bauteile sind per Konstruktionsdesign begrenzt und die Objektform wird durch die Anwendungsanforderungen bestimmt, so dass der Fertigungsvorgang um die jeweils einzigartigen Objekteigenschaften herum entwickelt werden muss. Luft- und Raumfahrtteile sind ein typisches Beispiel – je hochwertiger das Teil, desto flexibler ist im Allgemeinen die Nachbearbeitung.

Geschlossene Laufräder sind hochinteressante Anwendungen für die Additive Fertigung, die den Kompromiss zwischen der Produktivität des Fertigungsvorgangs und dem Einsatz von Stützstrukturen veranschaulichen. Wenn z.B. ein rotierendes Teil, das zur Erreichung hoher Drehzahlen ausgewuchtet werden muss, eine maschinelle Bearbeitung erfordert, ist das Entfernen der Stützstrukturen in Reichweite im Wesentlichen kostenlos. Wenn jedoch der gestützte Bereich dem Werkzeug unzugänglich ist, ist es natürlich wichtig, das Bauteil stützstrukturfrei herzustellen.

In jedem Fall können die drei Grundprinzipien von Michael Wohlfart dem Ingenieur bei der Erstellung effizienter Designs helfen – der Kostenaspekt ist hierbei ein schlagendes Argument. „Es ist alles eine Frage des Mindsets. Wenn der Konstrukteur immer auf die erwähnten Prinzipien achtet, sehe ich nicht ein, warum es teuer sein sollte. Wenn Sie einfach ein konventionelles Teil nehmen und es drucken wollen, dann werden Sie natürlich etwas mehr investieren müssen; aber wenn Sie diese drei Aspekte bereits im Designprozess berücksichtigen und das Bauteil im Voraus unter dem Gesichtspunkt der Additiven Fertigung entwerfen, dann entstehen keine Mehrkosten.“

Besuchen Sie die EOS-Website, um mehr über stützstrukturfreie Fertigung mittels additiver Technologie und industriellem 3D-Druck zu erfahren.