HP steigt mit 3D-Druck und 3D-Scan ins Custom-Footwear-Geschäft ein

Michael Molitch-Hou |

Nachdem HP mit seiner 3D-Drucktechnologie Multi Jet Fusion (MJF) einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht und ein wenig experimentiert hat, steigt die Firma nun mit einer neuen 3D-Scanlösung namens FitStation in das Rennen um personalisierte Schuhe ein. Die FitStation wird zur Herstellung von Einlagen verwendet. Diese Einlagen werden dann mittels MJF 3D-gedruckt.

3D-Scannung des Fußes an einem Modul der FitStation, powered by HP. (Bild mit freundlicher Genehmigung von HP.)

HP ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das auf dem Markt für Maßschuhe aktiv ist. Mehrere große Hersteller wie Nike und Adidas stellen Schuhsohlen mittels 3D-Druck her, während eine Reihe von Start-Ups, darunter Feetz und Wiiv Wearables, an 3D-gedruckten Produkten arbeiten, die von Schuhen bis hin zu Sandalen reichen.

Wie ist die Position von HP in diesem Rennen? Schauen wir uns an, wie HP im Vergleich zu seinen Mitbewerbern abschneidet.

HP

Die FitStation von HP ist eine Hardware- und Software-Plattform, die den Fuß einer Person zunächst in 3D scannt und dann den Fußdruck misst und eine Ganganalyse durchführt, um ein „digitales Profil“ beider Füße zu erstellen. Dies ermöglicht es in der Folge, Einlagen in 3D zu drucken und individuell angepasste Schuhe herzustellen. Der ganze Schuh wird dann auf der HP MJF-Plattform ebenfalls in 3D gedruckt.

Die Funktionsweise des 3D-Scan-/ 3D-Druck-Prozesses (Bild mit freundlicher Genehmigung von HP.)

Die Technik wird an 4.000 Verkaufsstandorten von Superfeet, ein auf den stationären Handel fokussierter Hersteller von Einlegesohlen, eingesetzt werden. Darüber hinaus wird der Sicherheitsschuhhersteller Steitz Secura die FitStation für seine Komfort-, Gesundheits- und Sicherheitslösungen verwenden.

Die FitStation von Superfeet an einem Verkaufsstandort. (Bild mit freundlicher Genehmigung von HP.)

SOLS

Zu den ersten Unternehmen, die auf diese Technologie setzten, gehört u.a. SOLS, ein in New York ansässiges Startup-Unternehmen, das personalisierte Einlegesohlen produziert. Diese werden durch photogrammetrische Algorithmen erstellt, die Fotos der Füße von Kunden mit einer Smartphone-App in Daten konvertieren. Diese Orthesen werden dann mittels Selektivem Lasersintern (SLS) mit Nylonmaterial im 3D-Verfahren gedruckt.

Obwohl SOLS früh in das Rennen eingestiegen ist, mussten sie im Januar 2016 20 Prozent der Belegschaft entlassen und wurden schließlich im März 2017 von Aetrex Worldwide, einem anderen Hersteller von maßgefertigten Einlagen und Schuhen, übernommen. Aetrex, mit Sitz in New Jersey, nutzte die Akquisition zur Ergänzung der eigenen bereits vorhandenen Fußscannertechnologie. Wenn Sie sich jedoch die Social Media-Präsenz des Unternehmens anschauen, werden Sie feststellen, dass seit Juni 2017 nicht mehr viel gepostet wurde.

Wiivv Wearables

Wiivv ist ein jüngeres Unternehmen, hat jedoch bereits seinen Durchbruch feiern können mit einem Produkt, das einst als erfolgreichstes 3D-Druck-Projekt auf Kickstarter galt: Ebenfalls eine 3D-gedruckte Einlegesohle, die mittels Photogrammetrie und einer Smartphone-App erstellt wird. Wie SOLS Einlegesohlen werden auch die Wearables von Wiivv mit SLS 3D-gedruckt.

Die Sandalen von Wiivv weisen 3D-gedruckte Wölbungen auf (Bild mit freundlicher Genehmigung von Wiivv Wearables.)

Mittlerweile is Wiivv zu 3D-bedruckten Sandalen übergegangen. Ungefähr zur gleichen Zeit, als SOLS von Aetrex gekauft wurde, lancierte Wiivv seine 3D gedruckte Sandalenlinie auf Kickstarter, die erfolgreich mit über 500.000 $ finanziert wurde.

Feetz

Feetz ist ein einzigartiger Fall eines San Diego-basierten Startups, das komplette Schuhe in 3D druckt. Die Maßbestimmung erfolgt wie bei den oben genannten Produkten mittels Photogrammetrie und einer Smartphone-App. Der Schuh wird dann auf 3D-Druckern mit recyceltem Material mittels Schmelzschichtung (Fused Filament Fabrication, FFF) gedruckt. Wenn der Träger ein Paar wegwerfen will, kann er es an die Firma zurückschicken, die das Material für die Produktion weiterer Schuhe recycelt. Für die Herstellung der Produkte von Feetz wird dem Unternehmen zufolge kein Wasser vebraucht. Außerdem werden die Produkte aus recycelten und recycelbaren Materialien hergestellt und reduzieren unsere CO2-Bilanz um 60 %.

Feetz verwendet 3D-Druck-Technologie, um den gesamten Schuh von der Zwischensohle bis zum Obermaterial zu erstellen. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Feetz.)

Im Herbst 2016 produzierte Feetz zusammen mit dem Schuhhändler DWS maßgeschneiderte Schuhe an den Standorten NYC 34th St und SF Union Square. Vor kurzem hat das Start-up zusammen mit dem zweimaligen Project Runway Gewinner Seth Aaron auf der FashioNXT Week in diesem Herbst die erste 3D-gedruckte Designer-Schuhlinie vorgestellt.

Under Armour

Wenn wir über große Schuhhersteller sprechen, ist es wichtig zu wissen, dass fast alle diese Unternehmen schon seit einiger Zeit 3D-Druck für ihr In-House-Prototyping und -Design verwenden. Erst im Laufe der letzten Jahre haben sie damit begonnen, auch Endprodukte mit 3D-gedruckten Komponenten zu fertigen.

Mit der UA Architech, einer limitierten Schuhserie mit 3D-gedruckten Sohlen, experimentierte Under Armour erstmals mit 3D-gedruckten Komponenten. Im Frühjahr 2017 verkündete das Unternehmen dann, dass es mit der Linie Futurist weitere Schritte im Bereich der Herstellung von Schuhen mit 3D-bedruckten Sohlen unternehmen würde. Der neue Schuh verfügt über eine Sohle, die eine von Lehmann&Voss&Co entwickelte, gewichtsreduzierte Gitterstruktur aufweist, gedruckt in 3D auf Under Armours SLS-Anlagen und bestehend aus thermoplastischem Polyurethan (TPU).

Der 3D-bedruckte TPU-Absatz des Futurist ist als Stütze und Federung gedacht. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Under Armour.)

Die Schuhserie mit einem Preis von $300 war Under Armour’s bisher teuerster Schuh und ihre größte Serie von Schuhen mit 3D-gedruckten Komponenten. Under Armour konnte mit jeder Schuhserie die Produktion vervierfachen, beginnend mit 96 Paar für die ursprüngliche Architech-Serie, gefolgt von 410 Paar für die nächste 3D-gedruckte Schuhserie. Das Unternehmen hat den Futurist im vergangenen März in einer Charge von etwas mehr als 2.000 Paaren auf den Markt gebracht.

Adidas

Nachdem Adidas im Dezember 2016 seinen ersten Schuh mit 3D-gedruckten Teilen, den 3D Runner, auf den Markt brachte, beschloss das Unternehmen, die Anstrengungen auszuweiten und Under Armour im Wettbewerb auszustechen. Adidas wechselte nicht nur von SLS zu einer aufregenden neuen Technologie, sondern strebte außerdem direkt die Massenproduktion an. Anfang dieses Jahres kündigte Adidas an, dass das Unternehmen Carbon’s ultraschnelles 3D-Druckverfahren cDLP (continuous digital light projection) zur Herstellung der Sohlen seines Futurecraft 4D-Modells einsetzen würde.

Der Futurecraft 4D mit 3D-gedruckter Zwischensohle, hergestellt unter Verwendung der 3D-Technologie der Firma Carbon. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Adidas.)

Obwohl die Schuhe nicht auf die Füße des Trägers zugeschnitten sind, ist der Plan, das Konzept eventuell um individuelle Anpassbarkeit zu ergänzen. Das Unternehmen startete in diesem Frühjahr mit 300 Paar Futurecraft 4D und strebt im Herbst oder Winter dieses Jahres die Produktion von 5.000 Paar an, bevor es bis Ende 2018 mehr als 100.000 Paare in Serie produzieren wird. Wenn das Unternehmen dieses Ziel erreicht, wäre es die erste serienmäßig hergestellte Schuhlinie mit 3D-gedruckten Komponenten auf dem Markt.

Reebok

Auch Reebok ist neben Adidas und Under Armour mit von der Partie, jedoch nicht nur mit 3D-gedruckten Schuhkomponenten. Sie sind gerade dabei ihre eigene 3D-Drucktechnologie zu entwickeln. Reeboks Schuhlinie Liquid Speed verfügt über eine Außensohle aus Polyurethan, die sich ausgehend von der Unterseite aufwärts an den Schuh anlegt und einen Teil des Schnürsystems bildet.

Zur Herstellung des Modells entwickelte das Unternehmen ein robotergestütztes System, das in einem vorgegebenen Muster Polyurethan aufträgt. Letztes Jahr hat das Unternehmen 300 Paar verkauft. Reebok plant, diese Aktivitäten auszuweiten, um die Schuhkomponenten vor Ort bei seinen Vertriebspartnern produzieren zu können und sich auf lange Sicht von den traditionellen Prozessen in der Schuhproduktion zu lösen.

New Balance

New Balance war einer der ersten Anbieter, der den 3D-Druck zur Herstellung von Zwischensohlen einsetzte. Die Firma verwendete SLS zunächst zur Erprobung der Technik und ging später zur Massenproduktion von Zwischensohlen mittels Hochgeschwindigkeitssintern (High Speed Sintering, HSS) über, einer 3D-Drucktechnologie, die Infrarotlicht zum Sintern von Material verwendet. Wenn der Begriff „Infrarotsintern“ vertraut klingt, liegt das möglicherweise daran, dass HP‘s MJF auch auf Infrarottechnik basiert, um Material zu sintern. Im Gegensatz zu HSS verwendet MJF beim 3D-Druckverfahren außerdem ein spezielles Detaillierungsmittel, das die Nutzung funktionaler Tinten zum Drucken von u.a. leitfähigen Materialien und verschiedenen Farben ermöglicht.

Ein Schuh mit einem Absatz, der mittels HSS hergestellt wurde. (Bild mit freundlicher Genehmigung der Loughborough University.)

New Balance ging schließlich eine Partnerschaft mit 3D Systems ein, um SLS nutzen zu können und den ersten kommerziell erhältlichen Laufschuh mit 3D-Druckteilen, den Zante Generate, zu produzieren. Die Zwischensohle, die in TPU gedruckt wurden, hat ein einzigartiges, organisches Design, das vom 3D-Druckstudio Nervous System entworfen wurde. Das Unternehmen begann mit 44 Paar dieser Spezial-Sneakers, plant aber, noch dieses Jahr kundenspezifisch anpassbare Versionen auf den Markt zu bringen.

Der Zante Generate von New Balance mit 3D-gedruckten Zwischensohlen, auf dem Markt seit 2016. (Bild mit freundlicher Genehmigung von New Balance.)

Nike

Nike schloss sich der Competition im Jahre 2013 mit dem Vapor Laser Talon an, dessen Prototyp im 3D-Druckverfahren hergestellt wurde. Mit einer funktionalen Nylonplatte und einem Traktionssystem, die beide mittels SLS 3D-gedruckt wurden, konnte Nike das Gewicht reduzieren und den Designprozess beschleunigen. Der daraus resultierende Stollenschuh gilt als eine der schnellsten Stollenschuhe aller Zeiten, der von 7 der 10 schnellsten Athleten beim NFL 2013 Combine getragen wurde.

Der im 3D-Druck hergestellte Prototyp des Vapor Carbon Elite Cleat. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Nike.)

Das Unternehmen ging dann über zur Produktion des Vapor HyperAgility Cleat und später zur Produktion des Vapor Carbon Elite Cleat. Beide Modelle sind Stollenschuhe, deren Prototypen im 3D-Druckverfahren hergestellt wurden.

Als HP mit seinen MJF-Druckern die Arena der 3D-Druckindustrie betrat, brachte es eine Reihe großer Namen wie BMW und Johnson & Johnson als Partner mit. Unter diesen Partnern war auch Nike. Wie genau das Unternehmen MJF einsetzt, ist unklar, aber nach Jahren des Prototypings mit SLS scheint es nun an der Zeit, auch mit der Produktion von Endprodukten im 3D-Druckverfahren zu beginnen, um im Wettbewerb weiter mithalten zu können.

Was ist das Besondere an 3D-gedruckter Footwear?

Wenn man dem Marketing glauben schenken will, dann sind 3D-gedruckte Schuhe das nächste große Ding. Jedoch gibt es zwar einige Produkte auf dem Markt, aber 3D-gedruckte Schuhe und Einlegesohlen sind trotzdem noch weit davon entfernt, ein Massengeschäft zu sein. Ein Grund dafür, dass diese Produkte für Unternehmen wie New Balance und Under Armour so attraktiv erscheinen (abgesehen vom Hype-Potential), ist die Tatsache, dass der 3D-Druck von Zwischensohlen und Einlegesohlen eine relativ einfache Möglichkeit darstellt, 3D-Druck-Verfahren und serielle Maßanfertigung auf dem Markt zu erproben.

Es ist immer noch schwierig, einen ganzen Schuh im 3D-Verfahren zu drucken und dabei ein elegantes Design und maximalen Komfort zu erzielen (fragen Sie dazu am besten Feetz), aber das 3D-Drucken einer Zwischensohle ist weniger schwierig, da sie sich auf der Außenseite des Schuhs befindet. Gleichzeitig ist es möglich, an diesem Teil des Schuhs Gewichtseinsparungen und einzigartige Designmerkmale zu realisieren, wie z. B. Gitterstrukturen, die weniger Material benötigen, aber oft auch eine bessere Dämpfung und möglicherweise eine höhere Leistungsfähigkeit bieten.

Aus diesem Grund arbeiten sämtliche großen Schuhfirmen an dieser Technologie. Es ermöglicht ihnen, im Wettbewerb mitzumischen, Marktpotentiale zu testen und die Möglichkeit der Massenproduktion zu erforschen.

Bei der Herstellung von Einlegesohlen können die Vorteile des 3D-Drucks noch stärker genutzt werden, da die Produkte auf die Füße des jeweiligen Kunden zugeschnitten werden können, was deutlich über den herkömmlichen „Eine-Größe-für-alle“-Ansatz der Hersteller hinausgeht. Das gilt nicht nur bei Schuhen, sondern auch bei Autos, Kopfhörern und vielen anderen Produkten. Futuristen und 3D-Fans erwarten bereits mit Sehnsucht den Tag, an dem alle Produkte für den jeweiligen Kunden maßgeschneidert und gleichzeitig in Massenproduktion produziert werden – ein Konzept, das als „serielle Maßanfertigung“ (engl. „Mass Customization“) bezeichnet wird.

Sie werden aus diesem Artikel herausgelesen haben, dass SLS eine der Top-Technologien für Experimente im Bereic Mass Customization ist. SLS hat einen hohen Durchsatz und basiert auf Industriematerialien wie Nylon und TPU, was es seit Jahren zur bevorzugten Technologie von 3D-Druck-Anbietern für Serienproduktionen macht.

In jüngster Zeit haben sich jedoch auch ganz neue Technologien dem Wettkampf um den höchsten Durchsatz angeschlossen und wetteifern darum, dem 3D-Druck die Türen zur 13 Trillionen Dollar schweren Fertigungsindustrie öffnen zu dürfen und die serielle Maßanfertigung zu etablieren. Adidas bspw. hat sich aus Geschwindigkeits- und Materialüberlegungen heraus für Carbons Version der cDLP-Technologie entschieden. Auch MJF ist eine interessante Option im Bereich Mass Customization, da es – dem Marketing zufolge – 10 mal schneller als SLS sein soll.

Gegenwärtig werden traditionelle Konsumgüter wie Sportbekleidung zu sehr niedrigen Kosten hergestellt, indem vor allem Arbeitnehmer aus Entwicklungsländern, die zu Niedriglöhnen und oft unter unsicheren Bedingungen arbeiten, eingesetzt werden. Trotz der weit verbreiteten Kenntnis dieser Praktiken engagieren sich viele Hersteller weiterhin in diesen äußerst zweifelhaften Lieferketten.

Ein weiterer Traum als Folge der Idee, den 3D-Druck als Technologie für die Produktion von Endprodukten einzusetzen, ist die Möglichkeit, die Produktion wieder zurück in heimische Gefilde zu holen und die Kosten so weit zu reduzieren, dass Unternehmen Anreize haben, auf ausländische Sweatshop-Produzenten weitgehend zu verzichten. Ob dies möglich ist, ohne gleichzeitig Regulierungen und Handelsabkommen einzuführen, die humane Arbeitsbedingungen und Löhne vorschreiben, ist ein anderes Thema – jedoch keines, das ignoriert werden sollte, wenn Unternehmen sich anschicken, neue Technologien und Produkte mit werbewirksamen Begründungen zu hypen, wie bspw. der Rückverlagerung von Produktionsstandorten auf den heimischen Markt.