3D-Druck mit Kohlefaser: Der Lebenszyklus eines Werkstoffs

Michael Molitch-Hou |

Der 3D-Druck von Kohlefasern ist heute ein wichtiger Bestandteil der Additive Manufacturing (AM)-Industrie. Während Unternehmen wie Impossible Objects versuchen, großangelegte Anwendungen von Kohlefasern in die Realität umzusetzen, haben Markforged und eine Reihe von Filamentherstellern den 3D-Druck mit diesem robusten Material zur gängigen Praxis gemacht.

Kohlefaserverstärkte Nylonteile, hergestellt im Markforged 3D-Druckverfahren. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Markforged.)

In diesem Artikel werden wir den Weg der Kohlefaser, die sich in der Industrie bereits fest etabliert hat, von ihren Ursprüngen bis hin zu ihren letztendlichen Anwendungen und ihrer möglichen Zukunft verfolgen.

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Das Schmieden von Kohlefasern

Etwa 90 Prozent der Kohlefaser beginnt als Polymer namens Polyacrylnitril (PAN), während die restlichen 10 Prozent aus Rayon oder Erdölpech stammen. PAN wird durch radikalische Polymerisation aus Acrylnitril gewonnen, das wiederum ein Derivat des Kohlenwasserstoffs Propylen ist, ein Nebenprodukt der Ölraffination und der Verarbeitung von Erdgas.

Zur Herstellung der Faser wird das Ausgangsmaterial, das so genannte „Vorprodukt“, an der Luft auf eine Temperatur von etwa 300°C erwärmt, um es für den nächsten Schritt, den so genannten Karbonisierungsprozess, zu stabilisieren.

Beim Karbonisieren wird das Vorprodukt-Material in lange Stränge gezogen und in einer inerten, oft mit Argongas gefüllten Kammer auf eine extrem hohe Temperatur von 2000 °C erhitzt. Der Sauerstoffmangel verhindert das Verbrennen des Materials und bewirkt stattdessen den Ausstoß der Nicht-Kohlenstoffatome, so dass nur Kohlenstoffschichten in einem einzigen Filamentstrang erhalten bleiben.

Ein Beispiel für die Massenproduktion von Kohlefasern. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Dispatch Industries.)

Nach Abschluss dieses Prozesses wird die Kohlefaser durch Eintauchen in ein Gas wie Luft, Kohlendioxid oder Ozon oder in eine Flüssigkeit wie Natriumhypochlorit oder Salpetersäure oxidiert. Diese Oberflächenbehandlung erfolgt, damit sich die Kohlefaser leichter mit anderen Materialien verbinden kann. Schließlich werden die Stränge mit Epoxid, Polyester, Nylon, Urethan oder einem anderen Klebstoff beschichtet, um sie während des Wickel- oder Webprozesses zu schützen.

3D-Druck mit Schnittfaser vs. durchgehender Faser

Während Markforged und die russische Firma Anispro in ihrer 3D-Drucktechnologie durchgehende Kohlefaserfilamente verwenden, basiert jedes auf dem Markt erhältliche Kohlefaser-3D-Druckfilament auf Schnitt-Kohlefaser. Der Unterschied zwischen durchgehender und Schnitt-Kohlefaser ist nicht zu unterschätzen.

Filamente aus Schnitt-Kohlefaser enthalten kleine Kohlefaserteile, die in einem traditionellen 3D-Druckpolymer wie Nylon, ABS, PLA oder PEEK dispergiert sind. Kontinuierliche Kohlefaser ist fester, da Tausende von Kohlefasern in langen Strängen gebündelt werden, anstatt sie in kleine Elemente aufzubrechen und über ein überwiegend aus Plastik bestehendes Objekt zu verteilen.

ColorFabb Karbonfaser XT-CF20 3D-Druckfilament. (Bild mit freundlicher Genehmigung von ColorFabb.)

Kunststoffteile mit durchgehender Kohlefaserverstärkung weisen laut einer Metastudie zwar Zug- und Biegefestigkeiten auf, die bis zu 6,3- und 5-fach höher sind als bei unverstärkten Teilen, jedoch weisen Schnitt-Kohlefaserkomponenten lediglich eine geringere Porosität auf als kohlenstofffreie Teile.

Noch stärker kann die Performance bei 3D-Druckverfahren sein, die traditionelle Kohlefaserplatten verwenden. EnvisionTEC versprach einst die Einführung eines groß angelegten Systems, das in der Lage sein würde, Verstärkungsmaterial wie Kohlefaser zwischen Kunststoffschichten zu platzieren, aber wir haben seit der Vorstellung des Projekts im Jahr 2016 nie wieder etwas davon gehört.

Impossible Objects hat aber auch ein schichtenbasiertes 3D-Drucksystem versprochen, das mit Polymerpulvern mehrere Lagen von Verstärkungsmaterial miteinander verbindet und die Schichten dann in einem Ofen miteinander verschmelzt. Seit Impossible Objects in 2017 6,4 Millionen Dollar in der ersten Finanzierungsrunde erhielt, ist die neueste Nachricht in Verbindung mit dem Unternehmen, dass die Firma Ford 2018 zwei seiner Systeme in Betrieb genommen hat.

Seit der Veröffentlichung der Neuigkeiten über diese beiden Unternehmen ist eine weitere innovative 3D-Drucktechnologie aus Kohlefaser von einem in Idaho ansässigen Unternehmen namens Continuous Composites entwickelt worden. Das Verfahren, das als „Continuous Fiber 3D Printing“ (CF3D) bezeichnet wird, zeichnet sich durch durchgehende Kohlefaserstränge aus, die mit einem schnell härtenden duroplastischen Kunststoff im Druckkopf imprägniert und dann ausgestoßen werden, woraufhin sie unmittelbar mittels Energiezuführung ausgehärtet werden. Der Druckkopf ist an einem Industrieroboterarm befestigt, der eine sechsachsige Steuerung erlaubt. Die firmeneigene Software des Unternehmens baut auf diese Fähigkeit, Objekte mit der optimalen Faserorientierung zu drucken – eine ähnliche Technologie wurde 2016 durch Stratasys und Siemens vorgestellt, uns ist jedoch nicht bekannt, ob sie in der Folge auch auf den Markt gebracht wurde.

Anwendungen

Kohlefaser wird am häufigsten in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt, ist aber auch in der Automobil-, Sportartikel-, Bau- und Elektronikindustrie weit verbreitet. Häufig wird das Material als Ersatz für Metallteile verwendet, was das Gewicht und den Kraftstoffverbrauch eines Flugzeugs, Autos oder anderen Fahrzeugs merklich reduziert.

So besteht der Airbus A350 zu 52 Prozent aus karbonfaserverstärktem Polymer (CFK) und die Karosserie des BMW i3 besteht zu einem Großteil aus CFK. Kohlefaser wird auch in qualitativ hochwertigen Fahrradrahmen, Tennisschlägern und Surfboards verwendet. Hier und dort wird das Material auch als Verstärkungsmaterial für Brücken und zur Nachrüstung alter Bauwerke verwendet.

Im Presswerk von BMW werden Kohlefaserlagen zu Endkomponenten geformt. (Bild mit freundlicher Genehmigung von BMW.)

Die vorgenannten Beispiele veranschaulichen die Verwendung der traditionellen Kohlefaserverstärkung, bei der große Teile des Kohlefasergewebes in eine Form gelegt werden – oft manuell, aber im Falle der Luft- und Raumfahrtindustrie manchmal auch mit zusätzlicher mechanischer Unterstützung. Dieser arbeitsintensive Prozess macht den Einsatz von Kohlefaser teuer. Aus diesem Grund birgt der 3D-Druck das Potenzial, das Aufschichten von Kohlefasern zu automatisieren und entsprechend Kosten zu senken.

Im Moment ist der 3D-Druck von Kohlefaser jedoch noch kaum etabliert. Der 3D-Druck durchgehender Kohlefasern durch Markforged ist wahrscheinlich die am weitesten verbreitete Methode, bietet aber lediglich das Bauvolumen eines Desktop Computers. Daher eignet es sich vor allem dafür, Metallwerkzeuge für die Fertigung zu ersetzen oder kundenspezifische Autoteile, wie z.B. einen Schalthebel, herzustellen.

Zukunft

Es gibt Fälle von großflächigem 3D-Druck mit Schnitt-Kohlefaser, nämlich das Big Area Additive Manufacturing System von Cincinnati Incorporated. Dieses System wurde vom Oak Ridge National Laboratory (ORNL) des US-Energieministeriums (DoE) mitentwickelt. Die Technologie wurde erfolgreich eingesetzt, um ganze Fahrzeuge mit Verbundwerkstoffen aus Schnitt-Kohlefaser und Polymeren in 3D zu drucken. ORNL arbeitet derzeit an der Möglichkeit, CFK mit einem höheren Kohlefaseranteil zu drucken, so dass es in Zukunft möglicherweise einen Massen-3D-Druck von Kohlefasern geben wird.

Was die ORNL-Technologie nicht berücksichtigt, sind die Umweltkosten von Kohlefaser. Angesichts des Wärmebedarfs zur Bildung von Kohlefaser ist das Verfahren etwa 14-mal so energieintensiv wie Schmiedestahl. Das Material kann aber auch den Kraftstoffverbrauch in Fahr- und Flugzeugen senken, indem es das Automobilgewicht um 30 Prozent und das Flugzeuggewicht um 20 Prozent reduziert. Dies stellt natürlich ein falsches Dilemma dar, das eine kontinuierliche Entwicklung der globalen Fahrzeugnutzung als selbstverständlich voraussetzt. Eine weitere Möglichkeit, die Fahrzeugemissionen zu reduzieren, besteht nämlich darin, den Besitz von Privatfahrzeugen durch ein Mehr an öffentlichen Verkehrsmitteln zu ersetzen.

Eine kleine Ergänzung bzgl. der Emissionen aus dem Produktionsprozess ist die Tatsache, dass PAN ein Derivat der Ölraffination und Gasverarbeitung ist. Die Kunststoffherstellung macht 1 Prozent der Treibhausgasemissionen der USA und 3 Prozent des Primärenergieverbrauchs des Landes aus. Nicht nur die Rolle, die Kunststoffe selbst spielen, ist ökologisch schädlich, auch die Versorgung mit Öl und Erdgas wird immer schwieriger werden, was die Verfügbarkeit von Kohlefasern in der Zukunft beeinträchtigen könnte.

Einer Schätzung zufolge werden 30 Prozent aller Kohlefasern zu Abfall. Es ist möglich, kohlefaserverstärkte Teile zu recyceln, wobei die meisten Kohlefaserreste zur Wiederverwendung zerkleinert oder zermahlen werden. Mit einem Verfahren namens Pyrolyse werden CFK-Komponenten auf 400 °C – 600 °C erhitzt (wodurch der Energieinput über den Lebenszyklus des Materials hinweg erhöht wird) und das Polymer verbrannt, so dass es sich vollständig verflüchtigt. Die so wiedergewonnene Faser kann wiederverwendet werden, jedoch nicht in strukturell anspruchsvollen Anwendungen.

Für den Fall, dass Kohlefaser jedoch weiterhin eine industrielle Notwendigkeit bleibt, arbeiten Forscher an der Entwicklung nachhaltigerer Formen. Eine Möglichkeit ist der Ersatz von PAN durch geeignete Polymere, die aus natürlich gewonnenem Zucker hergestellt werden, u.a. aus pflanzlichen Reststoffen.

Für das US-Energieministerium konnte ein Forscherteam pflanzliche Abfälle erfolgreich in 3-Hydroxypropionsäure (3-HP) umwandeln, die dann in einen Biokunststoff, das so genannte Acrylnitril, umgewandelt wird, das zur Herstellung von Kohlefasern verwendet werden kann.

Dieses Verfahren hat gegenüber der traditionellen PAN-basierten Kohlefaser mehrere Vorteile, da der verwendete Katalysator dreimal billiger ist, keine überschüssige Wärme entsteht und sämtliche Nebenprodukte ungiftig sind. Im Gegensatz zu Kohlefasern aus Erdöl, die giftigen Cyanwasserstoff erzeugen, produziert Acrylnitril nur Wasser und Alkohol als Nebenprodukte.

Weitere Optionen für Kohlefaser-Vorprodukte sind Biokunststoffe aus Cellulose oder Lignin. Wie bei allen Biokunststoffen stehen Kunststoffprodukte jedoch letztendlich im Wettbewerb mit dem Bedarf an Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden in einer Welt, die sich mit Problemen wie wachsenden Bevölkerungszahlen und den Folgen des Klimawandels konfrontiert sieht.